Schön, aber längst noch nicht beim Alten

Das Leben kehrt auch ins Laika zurück.    Foto: mr

Die Neuköllner Gastronomie im Neustart

Es war mehr als ein Scheißjahr (nicht nur) für Gastronomen seit März 2020. Doch wenn nicht ein paar Schreihälse wieder etwas Virales einschleppen, könnten die wiedergewonnenen Möglichkeiten, sich vor und teilweise sogar in Kneipen, Bars, Cafés und Restaurants aufzuhalten, zu treffen und angstfrei das Leben, die Freundschaft und Speis und Trank zu genießen, sich verstetigen. Die Bedenken vieler sind noch nicht ganz weg sich auszumalen, dass sich bald wieder mehr als mit Faust und Ellenbogen begrüßt, ja sogar wieder in Lokalen gefeiert und getanzt werden könnte – und nicht nur heimlich oder mit leicht schlechtem Gewissen daheim oder in Parks. Doch es wird sich auch schon wieder mal freudig gedrückt und geherzt.
Dass viele unserer geliebten Lokalitäten wieder für uns da sind, straft schlimmste Befürchtungen aus der tiefsten Krisenphase zum Glück Lügen. Wer sich in seiner Neuköllner Nachbarschaft umschaut, hat aber sicher auch manche Veränderungen wahrgenommen, die mal pandemiebedingt, mal den Zeitläuften geschuldet sein mögen. Es wird besser, aber längst ist es nicht wie es war – und das muss vielleicht ja auch nicht sein.
Dass im einstigen »Paulinski Palme« nun israelisch gekocht wird, das »mal so mal so« in Dinkelpizzen macht, oder Frühstücks-, Bowl-, Grill-, ja sogar Bubble-Tea-Läden und Biergärten neu öffnen, hat was von Aufbruch­stimmung. Rückzüge wie der des »Men Men« mit seiner asiatischen Globalküche oder des italophilen »Capperi« und Konzeptwechsel wie der von Dartskneipe zu Shishabar wie in der »Zur Spitze« lassen sich für die meisten noch verschmerzen und sachzwänglicher Friktion zuschreiben. Aber ja, wie es mit Institutionen wie der noch immer geschlossenen »Nogat-Klause« und anderen, oft von Betagteren betriebenen, weitergeht, beschäftigt, betrübt und besorgt.
Zumindest die außengastronomiebetonten und dank einiger Toleranz­regelungen in der ­Außenbestuhlung und -ausbreitung auf Trottoirs und Autoparkstreifen derzeit besser draußen bewirten könnenden Lokale stabilisieren sich; möge das Wetter da lange mitspielen!
Mithilfe von Förderungen, wie spät sie auch kamen und noch kommen werden, konnten etliche die Durststrecke überbrücken, oder sie nutzen auch damit jetzt noch die Zeit, ihr Geschäft ansteckungsresistenter und zukunftsfähig zu machen; selbst bei der Installation neuer Handtrockner zeigen sich die amtlichen Stellen schließlich noch großzügig. Das »Zitronencafé« im Körnerpark renoviert erstmal bis zum Jahresende und auch im ehemaligen »Saarbach« lassen sich die Nachfolgevisionäre Zeit.
Auch einige Übergangslösungen mögen gern bleiben: der Naturweinverkauf in der »Bar Brutal 54« in der Hobrechtstraße, die Cocktails (insbesondere in Flaschen samt Zutaten) zum Mitnehmen im »Bürkner Eck«, die Pizza-, Dackelpommes- bis hin zu Braten-Snacks für nebenher im »Posh Teckel« etwa.
Identitätsstiftende Eckkneipen wie das »Ilse Eck«, »Rosel«, »Schilling«, »Krokodil«, die »Oase« oder der »Sandmann« sind auch wieder da beziehungsweise auf, Läden wie das »Soulcat« oder »Horse« können sich wieder der Musikkultur widmen, bei »Kauz & Kiebitz« oder »Muted Horn« werden Bierspezialisten wieder selig. Das »Valentin Stüberl« nahm Anfang Juli mit neuen Betreibern endlich den rustikalen alten Kurs wieder auf, »Der lustige Alfons« in der Reuterstraße wird vom »Lagari«-Team übernommen. Es ist wieder Bewegung und Musik in der Neuköllner Szene.
Musik? Live gar? Jenseits der regelmäßigen Hobrechtbrücken-Happenings ganz im Norden? Die »Spe©ialgalerie Peppi Guggenheim International« fing früh wieder an, seine Räume mutmaßlich Unansteckenden (außer Zigaretten) für feinsten Livejazz zu öffnen, baut aber auch unter anderem im Sanitären um und hält ein wenig chaosbedingt die Öffnungszeiten erstmal flexibel; wie auch einst lang offene wie die »Bierbaum«-Kneipen ihren Fast-rund-um-die-Uhr-Betrieb zunächst zeitlich begrenzen oder die Kollektivkneipe »Tristeza« sich lieber vorerst gen Wochenende fokussiert.
Gefühlt unzählige, hier nicht genannte Gastronomien freuen sich jedenfalls auf Sie, liebe dies Lesende. So gehet hin und frönt der Gönnung – es lohnt sich!

hlb